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  3. Auf Kafkas Spuren – «Kafka» mit Joel Basman und Nicholas Ofczarek ab 26. März 2024

SRF 1 / ARD / ORF 1 – «Kafka»

Auf Kafkas Spuren

Vor 100 Jahren starb Franz Kafka. Die Dramaserie «Kafka» erzählt sein Leben, mit dem Zürcher Joel Basman in der Hauptrolle.

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Joel Basman stand bei der Besetzung der Hauptfigur ganz oben auf der Liste der Produzenten.

Joel Basman stand bei der Besetzung der Hauptfigur ganz oben auf der Liste der Produzenten.

NDR/Superfilm
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Mischa Christen

Das Leben des jüdischen Prager Versicherungsbeamten, Fabrikbesitzers und Schriftstellers Doktor Franz Kafka dauerte vierzig Jahre und elf Monate. Er starb an Kehlkopftuberkulose in einem Sanatorium bei Wien.» So legt die sechsteilige Dramaserie «Kafka» los. Nüchtern. Emotionslos. Mit dem Tod. Mit einem Erzähler wie in einer Dokumentation. Als Zuschauer wähnt man sich im falschen Film. Vorerst.

Nun, wie konventionell kann eine Serie schon beginnen, die das Leben einer der faszinierendsten, aber auch verstörendsten Dichterpersönlichkeiten behandelt? Nicht von ungefähr ist sein Name in vielen Sprachen als Eigenschaftswort verewigt: «Kafkaesk» bedeutet laut Duden «auf unergründliche Weise bedrohlich».

Franz Kafka (1883–1924) gehört zu den bedeutendsten Vertretern der deutschsprachigen Literatur. Seine bekanntesten Werke «Der Prozess», «Die Verwandlung», «Das Urteil» und «Das Schloss» gelten als Meisterwerke der Moderne.

Puzzleartig, in scheinbar zufälliger Reihenfolge, erzählt der Sechsteiler «Kafka» vom Leben des Prager Dichters. In einer Bildsprache fast wie Kafka selbst: verblüffend, beschwerlich, lückenhaft. Ungewöhnliche Kameraeinstellungen fangen mit experimentellen Farben verkleckste Bilder ein, alles kommt inszenatorisch verspielt daher. Wie in einem Traum. Wie in einem Werk von Kafka. Und zwar mit gutem Grund und voller Absicht, wie Drehbuchautor Daniel Kehlmann betont: «Kafka ist vielleicht der wichtigste avantgardistische Autor der 20. Jahrhunderts. Man kann sein Leben nicht traditionell geradlinig erzählen.» Er habe versucht, eine gewisse Angemessenheit zwischen Form und Inhalt zu finden, sagt Kehlmann.

Der Erzähler vom Anfang verschwindet übrigens nie. Wie ein gemümmelter Kaugummi zieht sich seine Stimme durch die gesamte Staffel. Und macht oft keinen souveränen Eindruck. Immer wieder irrt sie sich und setzt neu an. Das geht so weit, dass sich sogar die Schauspieler ab und zu der Kamera zuwenden, um eine Aussage des Erzählers zu berichtigen oder anderweitige Gedanken zu äussern.

«Franz Kafka ist vielleicht der wichtigste avantgardistische Autor des 20. Jahrhunderts.»

Daniel Kehlmann, Drehbuchautor

Grundlage der Serie bildet die dreibändige Biographie des deutschen Literaturwissenschaftlers Reiner Stach. Ihm wurde jede Folge vorab zum Lesen vorgelegt, und er hatte uneingeschränktes Vetorecht. Was Stach nicht passte, wurde diskussionslos gestrichen. Joel Basman, der Franz Kafka hier verkörpert, hatte regelmässig Kontakt zu Stach. «Der Mann kann über Kafka reden, als ob es sein Sohn wäre. Er war mir eine grosse Hilfe, um den Schriftsteller und seine Beziehung zu seiner Familie besser zu verstehen.»

Basman stand bei der Besetzung der Hauptfigur ganz oben auf der Liste der Produzenten. Vor allem, weil er willens gewesen sei, sich über ein Jahr lang ausschliesslich mit dieser Rolle zu beschäftigen. Und Basman kniete sich rein: «Wie läuft Kafka? Wie redet er? Wie weint er? Wie lacht er?» Zusammen mit einem Philosophen bereitete er sich akribisch auf die Rolle vor.

Der Einsatz hat sich gelohnt: Basman hat sich Kafka geradezu einverleibt – bis hin zu dessen keckerndem Lachen und dieser eigenwilligen Art zu kauen, mit der er seine Tischgenossen regelmässig irritierte und seinen Vater zur Weissglut trieb. Die grösste Anerkennung empfing der Zürcher Schauspieler von Reiner Stach höchstpersönlich: «Basman war genau so, wie ich mir Kafka immer vorgestellt habe.»

Basman hat sich Kafka geradezu einverleibt – bis hin zu dessen keckerndem Lachen und dieser eigenwilligen Art zu kauen.

Die erste Folge «Max» hat Kafkas besten Freund im Fokus, Schriftsteller Max Brod (David Kross). Hätte der sein Versprechen gehalten, das ihm Franz auf dem Sterbebett abrang, wäre der Dichter Kafka womöglich in der Belanglosigkeit versunken. Max hätte alle Schriften vernichten sollen. Jedes Notizbuch. Jede Geschichte. Jedes Roman-Manuskript. Stattdessen veröffentlichte er die meisten von Kafkas Werken postum.

Die zweite Folge «Felice» analysiert Kafkas vertracktes Verhältnis zu den Frauen. Felice war seine langjährige Verlobte, die er trotzdem nur oberflächlich kannte. Die Beziehung war zäh und quälend. Die Verlobung wurde gelöst, erneuert, wieder beendet. Kafka zog es ohnehin vor, seine Triebe im Bordell auszuleben.

Die Folge «Familie» geht zurück in die Kindheit von Klein Franz und stellt den aufbrausenden Vater Hermann ins Zentrum, der seinen einzigen Sohn schon mal mitten in der Nacht auf den Balkon sperrte, bloss weil der seinen Durst anmeldete. Oder der Alte beschimpfte das Dienstmädchen als Vieh, weil es ihm wieder mal «eine kalte Suppe zum Fressen» aufgetischt hatte.

Mit einer Passion, wie man das von ihm kennt, spielt Nicholas Ofczarek («Der Pass») den aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Hermann Kafka, der sich hocharbeitete und es zum Inhaber eines Warengeschäfts brachte. Er sei ein alles überragender, tyrannischer Mann gewesen, weiss Ofczarek, der «kein Verständnis für die künstlerischen Ambitionen seines Sohnes hatte». Die gestörte Beziehung zum Vater ziehe sich «wie ein roter Faden durch Kafkas Gesamtwerk». Er hat ihm später einen anklagenden, hundert Seiten langen Brief geschrieben, den er jedoch nie abschickte.

Franz Kafkas unerschütterliche Freundschaft mit Max wird in vielen Szenen und Gesprächen beleuchtet. Von beiden erfährt man viel. Und doch bleibt am Schluss die Frage im Raum: Wer war Kafka? Ein Ausnahme-Schriftsteller, ohne Frage. Wegbereiter der literarischen Moderne, unbestreitbar. Aber was für ein Mensch war er? Wie hat er gefühlt, geliebt, geredet? War er sich seines Talents überhaupt bewusst? Oder hat es ihn am Ende verzweifeln lassen?

Im Dialog mit einer Bewunderin fügt er an, eigentlich sei er gar keiner Sprache mächtig, weder der deutschen, noch der jiddischen. «Ich bin eingezwängt zwischen Sprachen, die ich nicht kann, wie eine Fliege zwischen dem Strassenpflaster und irgendeinem Schuh.» Als die Dame einwirft, sie könne sich überhaupt nicht vorstellen, wie es sich anfühle, Autor eines Buches zu sein, entgegnete Kafka lapidar: «Es ist furchtbar.»

Mit einer Passion, wie man das von ihm kennt, spielt Nicholas Ofczarek den tyrannischen und aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Hermann Kafka.

Die Serie bietet also durchaus auch klassisch gedrehte Szenen. Doch in den surrealen, grotesken Momenten kann Kafka schon mal zum Käfer mutieren – in Anspielung auf sein wohl bekanntestes Werk «Die Verwandlung» (1912).

Das Kafkajahr findet ab 21. März übrigens auch im Kino seinen Niederschlag: im Drama «Die Herrlichkeit des Lebens».

1924 starb Franz Kafka unter Qualen. Er bat seinen Arzt noch, ihn mit einer Morphium-Überdosis zu erlösen. Als jener sich weigerte, soll Kafka gesagt haben: «Wenn Sie das nicht tun, sind Sie mein Mörder.» Dabei hat ihn sein frühzeitiger Tod womöglich vor einem weitaus drastischeren Schicksal bewahrt: Seine drei Schwestern wurden Anfang der 1940er-Jahre in den Konzentrationslagern des Nazi-Regimes ermordet.

Kafka

Drama-Miniserie

Mit Joel Basman, David Kross, Nicholas Ofczarek

Episoden 1–3:
Sonntag, 24. März 2024, 20.15, ORF 1
Dienstag, 26. März 2024, 20.15 Uhr, ARD
Donnerstag, 11. April 2024, 23.55 Uhr, SRF 1

Episoden 4–6:
Montag, 25. März 2024, 20.15, ORF 1
Mittwoch, 27. März 2024, 20.15 Uhr, ARD
Donnerstag, 18. April 2024, 23.55 Uhr, SRF 1

Unter der Tyrannei seines Vaters (Nicholas Ofczarek) litt Franz Kafka besonders.

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Von Mischa Christen am 21. März 2024 - 17:00 Uhr