ZDF – «Ellis»

Unscheinbar unschlagbar

Eine stille Polizistin und viel britisches Understatement: «Ellis» ist eine ­Krimiserie mit Haltung – und Längen.

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Stoisch und oft unterkühlt: Ellis (Sharon D. Clarke) und ihr beklommener Kollege (Andrew Gower).

Stoisch und oft unterkühlt: Ellis (Sharon D. Clarke) und ihr beklommener Kollege (Andrew Gower).

ZDF und Steffan Hill

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Ein kühler Herbstmorgen in den Pennines, jener hügeligen Landschaft im Norden Englands, die nicht zufällig «die kleine Schweiz» genannt wird. Inmitten dieser rauen Schönheit ragt ein Autowrack aus einem See. Darin die Leiche von Rowan Edwards, einem jungen Mann, Mitglied eines angesehenen Schwimmclubs und kurz davor, sein Politikstudium zu beginnen. Von seiner 17-jährigen Freundin Maggie (Freya Hannan-Mills), mit der er unterwegs war, fehlt seit Tagen jede Spur.

Rowan war der Sohn der früheren Parlamentsabgeordneten Louise Edwards (Catherine Walker). Diese besteht aus Misstrauen gegenüber der lokalen Polizei und wegen ihrem Dauerstreit mit Inspector James Belmont (Chris Reilly) auf externer Verstärkung. So tritt Christine Ellis (Sharon D. Clarke) auf den Plan – eine Ermittlerin aus London, zurückhaltend, präzise, aber vor allem auch: unbequem für das bestehende System.

Belmont begegnet ihr erst mal mit offener Feindseligkeit. Als aufbrausender und selbstgerechter Lokal-Cop bangt er um seine Position bei der Polizei. Zwischen ihm und Ellis beginnt sich ein unterschwelliger Machtkampf abzuzeichnen. Doch Ellis gelingt es, diesen Konflikt als strukturelle Metapher zu inszenieren: für Frauen im Beruf, für People of Colour in Führungspositionen, für einen Wandel im Umgang mit Autorität.

Sharon D. Clarke verkörpert Ellis mit fast stoischer Gelassenheit. Ihre Figur schreit nicht, sie kämpft nicht offen – sie beobachtet, analysiert, agiert. Die 58-jährige Schauspielerin zögerte kaum, als sie für die Rolle angefragt wurde: «Mein Interesse galt zuerst der Tatsache, dass eine etwas ältere schwarze Frau als leitende Ermittlerin eingesetzt wird, die jene Fälle aufnimmt, die als zum Scheitern verurteilt gelten. Das gefiel mir schon, ehe ich das Drehbuch in den Händen hielt.»

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Die Serie nutzt die Figur, um unbequeme, gesellschaftliche Fragen zu stellen, ohne zu moralisieren. Besonders überzeugend ist der erzählerische Kniff, dass Ellis ihre Unauffälligkeit gezielt als taktisches Werkzeug einsetzt. «Ich mag, dass man sehen kann, wie diese Frau ihre Superkräfte nutzt – nämlich dass sie meist übersehen wird –, um die Fälle zu lösen», so Clarke.

Visuell bleibt «Ellis» dezent. Mit kühler Farbpalette, rauen Landschaften und zurückhaltender Musik. Statt auf Actionszenen setzt die Regie auf leise Spannung. Auch das Ensemble kann sich sehen lassen. Die Nebenfiguren sind nämlich nicht blosses Beiwerk, sondern Teil des gesamten Krimikonstrukts: Andrew Gower etwa überzeugt als Ellis’ verunsicherter Kollege Chet Harper, der langsam lernt, seine Vorurteile abzulegen.

Doch bei aller Tiefe kann nicht ignoriert werden, dass «Ellis» auch recht schwer an sich selbst trägt. Manche Szenen sind etwas gar langatmig ausgefallen, der Erzählfluss stockt wiederholt. Die dialoglastige Inszenierung verlangt Aufmerksamkeit, belohnt sie aber nicht immer mit Substanz. Das Tempo ist streckenweise quälend langsam, was die atmosphärische Dichte zwar unterstützt, die Spannung jedoch ausdünnt.

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Hinzu kommt: Der erste Fall um Rowan Edwards ist komplex, aber nicht wirklich originell. Die Ermittlungen wirken zum Teil recht konstruiert, und die Wendungen sind vorhersehbar. Krimifans, die raffinierte Plots oder emotionale Zuspitzungen gewohnt sind, dürften hier unterversorgt bleiben.

Und doch ist «Ellis» ein mutiges, leises Stück britischen Krimihandwerks, das mehr auf Haltung denn auf Hochspannung setzt. Der TV-Sender Channel 5, wo «Ellis» beheimatet ist, scheint jedenfalls an die Serie zu glauben. Die zweite Staffel befindet sich derzeit in Produktion und wird nächstes Jahr zeigen, ob sie es schafft, mehr Dynamik zu entwickeln, ohne dabei ihre Identität einzubüssen.

Ellis

ZDF | Krimiserie | 1. Staffel

Mit Sharon D. Clarke, Andrew Gower, Chris Reilly

Sonntag, 10. August, 22:15 Uhr (1/3)
Wöchentlich eine 90-Minuten-Folge

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Der Trailer

Über die Autoren
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Mischa Christen

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