Tränkung und Kränkung: «The Dry – Sekt oder Selters» auf One

«Alle trinken! Ist das etwa normal?» Bis vor einem halben Jahr beantwortete Shiv Sheridan (Roisin Gallagher) diese Frage für sich mit einem lallenden Ja. Wilde Trinkgelage mit entsprechender Katerstimmung beim Aufwachen prägten den Alltag der 35-Jährigen. Dann zog Shiv die Reissleine und schwor dem Alkohol ab. Nur: In einer Partystadt wie London ist es praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, trocken zu bleiben.

Da sich darüber hinaus auch Shivs Erfolg als Kunstmalerin nicht nachhaltig einstellen will, kehrt sie zurück nach Dublin. In den Schoss ihrer Familie. Der Anlass des Besuchs ist zwar die Beerdigung der Grossmutter – Shiv beabsichtigt aber, bis auf weiteres zu bleiben.

Einen Vorgeschmack darauf, dass der Empfang kühler als erhofft ausfällt, bekommt Shiv schon am Flughafen: Ihre Schwester Caroline (Siobhán Cullen) holt sie nicht wie vereinbart mit dem Auto ab. Per Taxi im elterlichen Haus eingetrudelt, geht es gleich weiter: Die Begeisterung über Shivs Eintreffen hält sich in Grenzen. Auch wie es ihr in London ergangen ist, interessiert weder die Eltern noch ihre beiden Geschwister wirklich.

Der Einzige, der sich über das Wiedersehen freut, ist ihr Ex-Freund Jack (Moe Dunford). Doch gerade von ihm sollte sich Shiv fernhalten: Er will mit ihr auf die alten Zeiten anstossen und dann im Bett weitermachen.

Die Serie «The Dry – Sekt oder Selters» nimmt uns mit in den Kreis einer irischen Familie, die ein Musterbeispiel für das Verdrängen von Problemen abgibt. Während Shiv sich abmüht, auch unangenehme Themen anzusprechen und zu enttabuisieren, wird sie von ihrer Familie fast schon panisch ausgebremst und gedemütigt. Doch Shiv gibt nicht auf und unterzieht sich und ihre Angehörigen einer gründlichen moralischen Überprüfung. Die Lügen, die sie so zutage fördert, wirken wie Brennsprit für lange erstickte Konflikte.

Die Serie hält dabei stets die Balance zwischen subtilem Humor und bitterer Ernsthaftigkeit. Da verträgt es auch mal einen subversiven Seitenhieb auf gesellschaftliche Trends: Als Shiv ihrer Schwester, die Ärztin ist, eröffnet, dass sie nicht nur auf alkoholische Getränke, sondern auch auf Gluten verzichte, fragte jene, ob sie an Zöliakie leide. Und ohne die Antwort abzuwarten, zetert Caroline weiter: «Menschen mit Zöliakie sollten kein Gluten essen, das ist nämlich eine Krankheit. Alle anderen sind einfach nur Arschlöcher!»

Wo Shiv auftaucht, eckt sie an. Die Wechselbäder aus zaghaften Glücksmomenten und schmerzlichen Niederlagen erträgt sie tapfer und steckt so manche Schläge weg, ohne zu kontern. Doch es brodelt gewaltig in ihr, der Druck steigt. Die Explosion ist unausweichlich. Es fragt sich nur: Wann wird diese erfolgen? Wo? Und wie?