Tod aus dem Frachtraum

Am 4. Oktober 1992 ereignet sich in Amsterdam das denkbar schlimmste Szenario der Luftfahrt: Ein Flugzeug der israelischen Fluggesellschaft El Al stürzt in einen zehnstöckigen Hochhauskomplex im Stadtbezirk Zuidoost. In der Sozialsiedlung Bijlmermeer wohnen vor allem Migranten. Bei der Maschine handelt es sich um eine Boeing 747, die wegen ihrer Grösse auch Jumbojet genannt wird. Über fünfzig Wohnungen werden komplett zerstört oder gehen in Flammen auf. 43 Menschen sterben.

Dass es nicht deutlich mehr sind, grenzt an ein Wunder. Viele Bewohner sind an jenem Sonntagabend nicht zu Hause, und beim Flugzeug handelt es sich um eine Frachtmaschine mit nur vier Personen an Bord. El-Al-Flug 1862 befindet sich auf dem Weg von New York nach Tel Aviv mit Zwischenlandung im Amsterdamer Flughafen Schiphol.

Die Absturzursache wurde rasch ermittelt: Während des Steigflugs riss aufgrund einer Materialermüdung ein Triebwerk auf der rechten Tragfläche ab und wurde ins benachbarte Triebwerk geschleudert, das in der Folge ebenfalls abbrach. Rumpf und Flügel wurden dabei so stark beschädigt, dass die Maschine flugunfähig wurde und abstürzte. Bis hier haben wir es mit einem tragischen Unglück zu tun, das hätte verhindert werden können, wenn die Maschine vorschriftsgemäss gewartet worden wäre. Doch die Geschichte nimmt eine unerwartete Wende, die 6 Jahre später zu einer aufsehenerregenden parlamentarischen Untersuchung führt.

Während die Menschen in der betroffenen Siedlung um 39 zu Tode gekommene Nachbarinnen und Nachbarn trauern, lässt die niederländische Regierung verlauten, dass der Jumbojet nur harmlose Fracht transportiert habe. Doch Journalist und Aviatik-Experte Vincent Dekker (Thomas Höppener) und die Tierärztin Asha Willems (Joy Willems) stellen die offizielle Version in Frage. Für sie gibt es zu viele Ungereimtheiten.

Das Misstrauen ist berechtigt. Zwei Monate nach der Tragödie klagen erste Bewohner und Feuerwehrleute, die an der Absturzstelle im Einsatz waren, über gesundheitliche Beschwerden: Atemnot, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Müdigkeit gehören noch zu den weniger schlimmen Symptomen. Andere entwickeln Hautausschläge, erleiden Früh- oder Fehlgeburten, erkranken an Krebs.

Warum wurden so viele Menschen krank? Wie kann es sein, dass zwar der Flugdatenschreiber gefunden wurde, nicht aber der Stimmenrekorder, der die letzten Gespräche der Piloten aufzeichnete? Und wer waren die Männer in den weissen Schutzanzügen, die kurz nach dem Absturz Dinge aus Bijlmermeer wegschafften? Asha, Vincent und ein weiterer Journalist beginnen hartnäckig zu recherchieren und begeben sich dabei in grosse Gefahr. Immer mehr Zweifel kommen auch bezüglich der Fracht auf. Laut El Al transportierte das Flugzeug Blumen, Parfüm und Computerteile. Doch was hatte die Unglücksmaschine wirklich geladen?

An dieser Stelle wird natürlich nichts verraten. Denn «The Crash» – im niederländischen Original «Rampvlucht» (Katastrophenflug) – kommt als ungeheuer spannender Krimi daher und lässt immer wieder in Vergessenheit geraten, auf welch katastrophalen Ereignissen die Handlung basiert. Genug Stoff jedenfalls für eine fünfteilige Dramaserie, die eine niederländische Produktionsfirma 2022 gedreht hat und SRF 2 diese Woche nun an zwei aufeinanderfolgenden Tagen zeigt.