ARD – «Naked»

«Es gab 35 intime Szenen»

Die Serie «Naked» beleuchtet komplexe Beziehungsdynamiken und zeigt die zerstörerische Kraft von Sexsucht. Die Schweizer Regisseurin Bettina Oberli erzählt im Interview mit tele.ch von den Dreharbeiten.

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 Kuscheln statt poppen: Marie (Svenja Jung) und Luis (Noah Saavedra).

Marie (Jung) und Luis (Saavedra) üben sich in Abstinenz und können doch nicht ohne einander.

WDR/Fandango Film TV

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Mit «Naked» widmet sich die Berner Regisseurin Bettina Oberli (52; «Die Herbstzeitlosen», «Neumatt») einem Thema, das selten so unverblümt erzählt wird: Sexsucht bzw. Hypersexualität. Das sechsteilige Psychodrama begleitet Marie (Svenja Jung) und Luis (Noah Saavedra), die sich auf einer Party begegnen und einander sofort verfallen. Ihre Beziehung ist geprägt von Sex, häufig und teilweise wild, doch bald treten Konflikte zutage: Luis kämpft mit einer Sexsucht, während Marie ihm zunehmend hörig wird.

Im Gespräch mit tele.ch erzählt Oberli, warum das Format der Miniserie ideal für eine so sensible Thematik ist, welche Rolle die Intimitätskoordinatorin am Set spielte und weshalb die Sexszenen stets einem erzählerischen Zweck dienten.

Tele.ch: Sie führten auch in der ARD-Serie «37 Sekunden» Regie, in der es um sexuelle Gewalt geht. Zufall?

Bettina Oberli: «Naked» kam auch zu mir, weil die Produzenten «37 Sekunden» kannten. Mich interessiert weniger das Thema Sex an sich, als vielmehr die Dynamiken, die innerhalb von Beziehungen wirken. Für solche komplexen Erzählungen ist eine Miniserie perfekt: Sie bietet mehr Raum als ein 90-minütiger Film, um verschiedene Facetten zu beleuchten.

Haben Sie sofort zugesagt, als Sie angefragt wurden?

Nach Jahren intensiver Arbeit wollte ich eigentlich mal eine Pause einlegen. Aber die Drehbücher der Serie waren so stark, dass ich nicht widerstehen konnte. Ausserdem liebe ich es, mit tollen Schauspielerinnen und Schauspielern zu arbeiten, was hier definitiv der Fall war. Es gibt viele explizite Sexszenen.

War es schwierig, Schauspielerinnen und Schauspieler zu finden?

Nein, weil die Figuren vielschichtig sind. Ein Schauspieler ist nicht ans Casting gekommen, weil er als Familienvater in einer Lebenssituation ist, in der er andere Rollen sucht. Das habe ich gut verstanden.

Beim Dreh der intimen Szenen war immer eine Intimitätskoordinatorin dabei. Wie wichtig ist das?

Das ist eine Schlüsselposition. Wir hatten etwa 35 intime Szenen. Die Koordinatorin sorgte dafür, dass sich alle wohl und sicher fühlten, und war zudem eine kreative Partnerin für mich. Für jede Szene musste klar sein, warum sie erzählerisch wichtig ist. Denn bei Sexszenen geht es immer auch um Kommunikation.

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Aber die vielen Sexszenen helfen schon auch, die Zuschauerinnen und Zuschauer bei der Stange zu halten.

Natürlich verkauft sich Sex gut. Aber uns ging es nicht primär darum, möglichst viel davon zu zeigen. Jede Szene ist anders, erfüllt eine eigene Funktion und bringt unterschiedliche Aspekte zum Ausdruck. Für mich stand im Mittelpunkt, die Dynamik von Sucht zu erforschen. Wie entsteht Abhängigkeit? Wie zerstört diese Abhängigkeit Beziehungen? Statt bekannter Süchte wie Drogen, Alkohol oder Glücksspiel steht hier die Sexsucht im Fokus.

Viele Schauspieler sagen, intime Szenen zu drehen, sei alles andere als erotisch. Stimmt das?

Ja (lacht). Bei intimen Szenen achten wir darauf, dass möglichst wenige Leute anwesend sind. Es gibt klare Regelungen. Und jede Szene ist bis ins Detail durchchoreographiert – ähnlich wie bei einer Stuntszene. Natürlich ist es manchmal auch zu sehr absurden Szenen gekommen, die uns alle zum Lachen brachten und die wir auch mal abbrechen mussten.

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Marie hat in der Serie einen siebenjährigen Sohn. Wie schützt man ein Kind am Set vor Szenen, die nicht altersgerecht sind?

Es war stets ein Kinderbetreuer dabei, der für den Jungen eine eigene spielerische Welt schuf. Und bei den expliziten Szenen oder Gesprächen war das Kind natürlich nie dabei.

Befürchten Sie nicht, dass es angesichts des heiklen Themas zu Reklamationen kommen könnte?

Nein, das glaube ich nicht. Ich muss der ARD bzw. dem WDR ein Kränzchen winden. Sie haben sich mit ihrer Mediathek neu aufgestellt und orientieren sich an hochwertigen Formaten, wie man sie von HBO kennt. Die deutsche Redaktion setzt auf spannende, anspruchsvolle Stoffe. Unsere Sehgewohnheiten haben sich durch die Vielzahl der Streamingangebote stark verändert und eröffnen gleichzeitig grosse Freiheiten für kreative Experimente. Ausserdem wird die Serie ja sehr spät am Abend ausgestrahlt.

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Regisseurin und Drehbuchautorin Bettina Oberli (52) lebt mit ihrer Familie in Zürich.

Regisseurin und Drehbuchautorin Bettina Oberli (52) lebt mit ihrer Familie in Zürich.

Getty Images for ZFF
Regisseurin und Drehbuchautorin Bettina Oberli (52) lebt mit ihrer Familie in Zürich.

Regisseurin und Drehbuchautorin Bettina Oberli (52) lebt mit ihrer Familie in Zürich.

Getty Images for ZFF

Naked

ARD | Drama-Miniserie

Mit Svenja Jung, Noah Saavedra, Hanna Hilsdorf

Folgen 1–3: Freitag, 3. Oktober, 23.45
Folgen 4–6: Freitag, 4. Oktober, 0.45

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Der Trailer

Über die Autoren
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Mischa Christen

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