Zwei fitte Mountainbiker stampfen über Hügel, durch Bergbäche und vorbei an Wasserfällen, eine Joggerin powert sich zwischen bunten Herbstblättern aus. Der Auftakt zur Thrillerserie «Die Augenzeugen» kommt wie ein Werbespot für Ferien in Oberbayern daher.
Doch die Alpenidylle zerschlägt sich rasch: Die beiden 16-jährigen Biker Jan (Philip Günsch) und Lukas (Marven Gabriel Suarez) beobachten nach ihrem nächtlichen Schäferstündchen in einer Waldhütte, wie ein Auto vorfährt und drei bewaffnete Männer in Lederkluft einen gefesselten Mann (Lucas Gregorowicz) aus dem Kofferraum ziehen. Diesem gelingt es, einen der Männer zu entwaffnen, worauf er alle drei Peiniger erschiesst – gezielt, kaltblütig, professionell.
Der Killer bemerkt die Zeugen und will auch sie liquidieren. Sie entkommen buchstäblich in letzter Sekunde und schwören in ihrer Todesangst, die Klappe zu halten. Das bedeutet, dass Jan auch seiner Tante kein Sterbenswort sagen darf. Dumm nur, dass Tante Helen (Nicolette Krebitz) Kriminalkommissarin ist und die Ermittlungen im Fall des Dreifachmords leitet.
Zusammen mit ihrer Münchner Kollegin Corinna Will (Lana Cooper) kommt Helen einer Fehde zwischen einem Mafiaboss und dem Kopf einer Rockergang auf die Spur.
Und was hat der Mörder aus dem Wald damit zu tun? Der hat jedenfalls keinerlei Interesse daran, seine wahre Identität preiszugeben, und setzt alles daran, die beiden Jungs zu finden und zur Strecke zu bringen. Als Jan darauf drängt, sich seiner Tante anzuvertrauen, geht Lukas immer mehr Risiken ein und löst eine todbringende Spirale aus.
Der Vierteiler ist eine Adaption der norwegischen Serie «Øyevitne – Eyewitness» von 2014. Der Thrillerstoff erregte rasch internationales Interesse und wurde in den USA («Eyewitness» auf USA Network), Frankreich («Les Innocents» auf TF1) und Rumänien verfilmt.
Die deutsche Version des sechsteiligen Originals wurde auf vier Folgen komprimiert, der Plot in die Gegenwart versetzt. Während etwa das Thema Homosexualität in der norwegischen Vorlage noch eine eher belastete Rolle spielte, wird sie hier sehr unverkrampft abgehandelt. Das beweist die Szene, in der Jan seiner Tante Helen in der Küche so ganz nebenbei eröffnet, dass er wohl auf Jungs steht. Sie reagiert mit einem unbeeindruckten «Okay» und fragt: «Sollen wir da jetzt noch irgendwie drüber reden?» Er antwortet schulterzuckend: «Nö, passt schon.» Damit ist das delikate Thema bereits wieder vom Tisch.
Die Geheimnisse der Figuren und die personellen Verstrickungen sorgen gegenüber dem Original für zusätzliche Spannung. Neu ist etwa, dass Jans Tante zugleich die Ermittlerin in den Mordfällen ist.
Banden- und Drogenkriege, korrupte Bullen, mehrere Morde und sogar eine Rohrbombe – und mittendrin zwei verzweifelt verliebte Teenager. Es werden diverse Themen angepackt und angerissen. Wer beim Serienschauen dazu neigt, gleichzeitig auf seinem Smartphone herumzudrücken, dürfte die eine oder andere Wendung verpassen.
Gleich zu Beginn fällt das schauspielerische Können von Nicolette Krebitz auf, die mit ihrem lethargischen Schlafzimmerblick Helens tiefe Traurigkeit ausdrückt. Grund dafür ist der frühe Drogentod ihrer Schwester und Jans Mutter. Auch Lucas Gregorowicz (bekannt aus «Der Pass» und «Polizeiruf 110») spielt mit Überschwang den Mann, der den Spagat meistern muss zwischen kaltblütigem Killer und seinen anderen beiden Tätigkeiten – über die wir hier natürlich nichts ausplaudern.
Thrillerserie | alle vier Folgen am Stück
Mit Nicolette Krebitz, Lucas Gregorowicz, Philip Günsch, Marven Gabriel Suarez
Samstag, 3. Mai 2025, 20.15 Uhr, ARD