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ARD – «A Better Place»

Eine Stadt dreht durch

Was passiert, wenn man alle Häftlinge freilässt? Die ARD-Dramaserie «A Better Place» wagt das Gedankenexperiment.

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Neonazi Klaus Bäumer (Richard Sammel, l.) kommt frei, obwohl er einen Teenager totgeprügelt hat.

Neonazi Klaus Bäumer (Richard Sammel, l.) kommt frei, obwohl er einen Teenager totgeprügelt hat.

ARD
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Mischa Christen

Stellen Sie sich vor: Verurteilte Vergewaltiger und Mörder weilen von einem Tag auf den anderen wieder unter uns. Sämtliche Strafanstalten wurden dichtgemacht, die Gefangenen auf freien Fuss gesetzt. Ziel dieser radikalen Aktion: die Straffälligen in die Gesellschaft zu reintegrieren – begleitet von Therapiemassnahmen und überwacht durch Sozialarbeiter.

Ist eine Welt ohne Knast ein «Better Place» oder ein Herd blanker Anarchie? Gibt sie Straftätern die Chance, sich zu rehabilitieren, oder wäre sie eine einzige Zumutung für Opfer und Angehörige? Der ARD-Achtteiler stellt diese Fragen und führt uns eine Realität ohne Gefängnisse vor.

Es ist das ambitionierte Projekt von Bürgermeister Amir Kaan (Steven Sowah) und der Strafrechtlerin Petra Schach (Maria Hofstätter) in Rheinstadt. Die fiktive Stadt im Ruhrgebiet wird schlagartig weltberühmt: Hunderte Straftäter werden aus den Gefängnissen entlassen, man stellt ihnen Wohnungen zur Verfügung, besorgt ihnen Jobs.

Einer, der davon profitiert, ist der 20-jährige Nader (Youness Aabbaz) – ein Kleinkrimineller, der die Chance für einen Neuanfang erhält und eine Stelle als Autoverkäufer antritt. Zudem darf er in einen nobleren Stadtteil ziehen, um dem schlechten Einfluss seiner Schwester und ihrer Gang auszuweichen. Denn die wissen die aktuelle Situation für sich zu nutzen und rauben gleich mal einen Juwelierladen aus. Ein weiterer Teilnehmer am Programm ist Gewalttäter Mark (Johannes Kienast), der nach seiner Freilassung das Vertrauen seiner Familie zurückgewinnen will.

«Was ist das Gefängnis? Ein verdammtes Symbol für ein kaputtes System!» Die Kriminologin Petra Schach weibelt energisch für die Erkenntnis, dass die vorherrschende Idee von Strafe in keiner Gesellschaft je wirklich fruchtete. Negativbeispiel seien die USA, ein Land, in dem die Haftanstalten aus allen Nähten platzen und dessen Bestrafungssystem das Gegenteil davon bewirkt, was es sollte: Die Rückfallquote in Amerika liegt bei über 65 Prozent, die Mordrate ist trotz Todesstrafe zehnmal so hoch wie in Deutschland.

Wie soll man da nicht laut über alternative Methoden und Modelle nachdenken dürfen?! «Gefängnisse machen Menschen in der Regel nur noch krimineller und gesellschaftsfeindlicher», lautet das ernüchternde Fazit.

Wie zu erwarten war, stösst das Programm nicht überall auf Wohlwollen. Von Beginn an stemmen sich vor allem Gewaltopfer und ihre Angehörigen dagegen. Ganz vorne bei den Protestierenden: die türkischstämmige Nesrin (Alev Irmak), deren 15-jähriger Sohn von einem Neonazi totgeprügelt wurde. Eine der brisantesten Fragen, die laut werden: Was passiert mit jenen Straffälligen, die erneut delinquieren? «Dann wird noch akribischer daran gearbeitet, die Ursachen für das Verhalten zu verstehen und zu helfen.» Diese Antwort empfinden die Opfer und ihre Familien als verharmlosend und zynisch – entsprechend konsterniert und wütend reagieren sie.

Die Stimmung kippt endgültig, als durch ein Datenleck publik wird, was der durchaus charmante Ex-Knacki Jens (Ulrich Brandhoff) auf dem Kerbholz hat. Ganz Rheinstadt – und mit ihnen die Zuschauerinnen und Zuschauer – erfahren es als Cliffhanger am Ende der dritten Episode. Als Konsequenz geraten das Projekt und seine Befürworter massiv unter Druck. Es kommt zu heftigen Tumulten.

«A Better Place» wagt dieses Gedankenexperiment mit realistischen und nur stellenweise überzeichneten Figuren. Die Konflikte, die in der Geschichte ausgetragen werden und sich zuspitzen, sind nachvollziehbar: Das Gerechtigkeitsempfinden des Publikums wird im Verlauf der Serie wiederholt auf die Probe gestellt. Und bis zum Schluss steht die Frage im Raum: Was, wenn das Programm von Rheinstadt Schule macht?

A Better Place

ARD | Dramaserie | 1. Staffel

Mit Steven Sowah, Maria Hofstätter, Johannes Kienast

Mittwoch, 22. Januar, 20.15, ARD (Folgen 1+2/8)
Freitag, 24. Januar, 22.20, ARD (Folgen 3–8/8)

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Von Mischa Christen am 20. Januar 2025 - 13:00 Uhr