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ARD – «Wo wir sind, ist oben»

Die hippen Strippenzieher

«Wo wir sind, ist oben» zeigt Lobbyisten bei der Arbeit. Tönt nach trockenem Stoff – ist aber exakt das Gegenteil.

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Max (Helgi Schmid) und Valerie (Nilam Farooq) sind Widerscher auf ähnlich perfidem Niveau.

Max (Helgi Schmid) und Valerie (Nilam Farooq) sind Widersacher auf ähnlich perfidem Niveau.

ARD
TELE
Simone Reich

Er ist jung, wortgewandt und sieht unverschämt gut aus: Max Lentor (Helgi Schmid) findet auf jeden Einwand das passende Gegenargument. Nicht umsonst ist er ist der begehrteste Lobbyist in ganz Berlin. Für seine Arbeitgeberin, die Agentur ABC & Partner, zieht er gekonnt die Strippen hinter den 
Kulissen der politischen Bühne.

Doch dann betritt eine ebenbürtige Gegnerin den Schauplatz: Valerie Hazard (Nilam Farooq), frisch von Brüssel nach Berlin versetzt, quartiert sich mit der Agentur Pegasus Consultings in denselben noblen Glasbau neben dem Reichstag ein, in dem sich auch die Büros von ABC & Partner befinden. Ihr Ruf als taffe und schlagfertige Lobbyistin eilt ihr voraus. Das führt zu scheinbar zufälligen Begegnungen im Lift, wo neben schnippischen Bemerkungen auch vielsagende Blicke zwischen Max und Valerie ausgetauscht werden.

Wer nun denkt, diese flotte Story über eifrigen Lobbyismus werfe quasi nebenbei eine romantische Lovestory ab, liegt total daneben. So eindimensional ist die Serie keinesfalls. Max hat’s nämlich eher mit Männern, wobei er Frauen gegenüber nicht ganz abgeneigt ist. Valerie hingegen ist eine Jägerin, die nachts in den Clubs Beute fürs Bett abschleppt – mal Männchen, mal Weibchen, mal beides. Aber eben: Es geht hier in erster Linie um Politik und nur sekundär um Bettgeschichten.

«Wo wir sind, ist oben» gewährt dem Publikum einen entlarvenden Einblick in den politischen Alltag. Hier werden Politiker gecoacht, gelenkt und gern auch mal zurechtgebogen. Es ist stellenweise schockierend, zu sehen, wie wenig gewählte Volksvertreter selber zu ihren Programmen beitragen. Anscheinend sind sie oft bloss ferngesteuerte Sprechpuppen, die einstudierte Phrasen wiedergeben.

Bei Max’ und Valeries Aufträgen geht es mal um die Betäubung von Ferkeln vor der Kastration, mal um Roboter in der Altenpflege – und immer wieder um einen geplanten Tagebau in der Lausitz, wo Braunkohle gewonnen werden soll. Stets vertreten die beiden vollkommen konträre Ansichten und schrecken auch nicht davor zurück, im Privatleben des Widersachers zu wühlen, um allfälligen Dreck am Stecken des anderen ans Tageslicht zu befördern.

«Politiker sind wie Sprechpuppen, die einstudierte Phrasen wiedergeben.»

Die neue ARD-Dramedyserie ist hochwertig umgesetzt, die Bilder aus dem Zentrum der Macht sind glaubwürdig, das Tempo hoch. Ursprünglich gehörte die Serie zum Portfolio von Sky – damals mit dem Arbeitstitel «Public Affairs». Doch wenige Tage nachdem Sky die Serie in Auftrag gegeben hatte, gab der Streamingdienst bekannt, aus Spargründen künftig auf alle fiktionalen Eigenproduktionen zu verzichten. Lange war daher das Schicksal von «Public Affairs»/«Wo wir sind, ist oben» ungewiss – bis schliesslich die ARD zugriff.

Ein besonderer Genuss sind neben den stark spielenden Schmid und Farooq auch die Akteure in den Nebenrollen. Allen voran die vielen noch als «Kommissarin Lucas» bekannte Ulrike Kriener in der Rolle der Herta Zickler, eine Art Grande Dame der politischen PR. Herrlich absurd und gleichzeitig eiskalt agiert auch der ehemalige «Alte» Jan-Gregor Kremp als Max Lentors Chef Dr. Magnussen. Der zeigt auch – unerwarteterweise – von allen Figuren am meisten Haut: Tag für Tag steigt er in eine noble, hypermoderne Bademuschel mit Deckel, die in seinem Büro thront.

Die ersten vier Folgen gibt’s am Freitag nach dem Eröffnungsspiel der Fussball-EM zu sehen, die zweite Tranche folgt in der Nacht von Sonntag auf Montag. 

Wo wir sind, ist oben

ARD | Dramaserie

Mit Helgi Schmid, Nilam Farooq, Michael Schenk, Jan-Gregor Kremp

D 2024; die ersten vier Folgen am Freitag, 14. Juni, ab 23.50 Uhr

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Von Simone Reich am 11. Juni 2024 - 17:53 Uhr