Die Zone des Grauens ist fast so gross wie der Staat Luxemburg. Trümmerteile überall. Allein auf dem Golfplatz liegen 60 Leichen. Es ist der 21. Dezember 1988, als die schottische Kleinstadt Lockerbie einen Platz auf der Weltkarte erhält. Alle 259 Passagiere und Besatzungsmitglieder sterben, nachdem an Bord des Pan-Am-Flugs 103 von London nach New York über Lockerbie eine Bombe detoniert ist. Die brennenden Bruchstücke der Boeing 747, die auf den Ort und seine Umgebung niederprasseln, töten weitere elf Menschen.
Dieser Anschlag gilt als einer der komplexesten Kriminalfälle der Neuzeit. Erste Hinweise deuten auf eine mit dem Iran in Verbindung stehende Terrorzelle. Dann gerät Libyen unter Machthaber Muammar al-Gaddafi (1942–2011) ins Visier, was eine lange, diffizile Verhandlung vor einem schottischen Gericht zur Folge hat. In den Niederlanden. Zwölf Jahre später fällt der Richterspruch: Ein Libyer wird als Hauptschuldiger des Attentats wegen Massenmord zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch einige Angehörige der Opfer quittieren das Urteil mit Skepsis, und bis heute bleiben viele Details des Terrorakts ungeklärt oder widersprüchlich, vermutet werden auch Vertuschungsmanöver.
Der schottische Arzt Jim Swire und seine Frau Jane verlieren bei der Katastrophe ihre 23-jährige Tochter Flora. Angetrieben von Wut und Trauer will Jim die Wahrheit über ihren Tod herausfinden. Er wird zum Sprecher britischer Opferfamilien und reist über Malta und die USA bis Libyen. Akribisch, zielstrebig und bis in die höchsten politischen Kreise geht Jim jedem noch so kleinen Hinweis nach und setzt dabei Gesundheit und Familie aufs Spiel.
Seine jahrzehntelange Suche nach der Wahrheit erzählt nun die Dramaserie «Lockerbie – A Search for Truth». Sie basiert auf Jim Swires Buch «The Lockerbie Bombing: A Father’s Search for Justice» und wurde ergänzt durch Gespräche mit Geheimdienstangestellten, Zeitzeuginnen und Journalisten. Wir erfahren auch, dass das Produkt einer Zürcher Firma womöglich eine Schlüsselrolle bei diesem Terrorakt gespielt hat.
Natürlich sei Jims Geschichte nur eine von unzähligen aus der Perspektive eines Betroffenen der 270 Opfer, die zu beklagen waren, gibt Produzent Gareth Neame im Gespräch mit tele.ch zu bedenken. «Die gesamte Geschichte ist so komplex, dass man rasch den Überblick verliert, wenn man sie zu erzählen beginnt. Also erzählen wir einfach diejenige von Jim Swire, aber so objektiv wie möglich.» In die Dreharbeiten wurde der heute 88-jährige Jim Swire nicht involviert, bekam das Resultat aber als einer der Ersten zu Gesicht.
Und dieses überzeugt, vom pietätvoll verfassten Skript über die Leistungen von Oscarpreisträger Colin Firth (Jim Swire) und Catherine McCormack (Jane Swire) bis zu den krass realistischen Sequenzen der herabfallenden Trümmer. «Diese so authentisch darzustellen, wäre noch vor zehn Jahren unmöglich gewesen», fügt Neame an. Man habe dafür auf neuste CGI-Technik zurückgegriffen.
Keine Frage: «Lockerbie: A Search for Truth» eröffnet das Serienjahr 2025 mit einem veritablen Emmy-Anwärter. Wer sich auf die tragische Thematik vorbereiten will, kann das mit der vierteiligen Dokuserie «Lockerbie» tun, die bereits seit Ende Dezember bei Sky Show zum Abruf bereitsteht.
Sky Show | Drama-Miniserie
Mit Colin Firth, Catherine McCormack, Sam Troughton
GB/USA 2024, ab 16. Januar 2025