Netflix – «Jay Kelly»

Posterboy des vollen Lebens

In «Jay Kelly» gibt George Clooney einen Superstar in der Sinnkrise. Wie viel von ihm selbst steckt da drin?

TELE Logo

Christian Thiele

Bad in der Menge: Jay mit PR-Managerin Liz (Laura Dern, l.) und Manager Ron (Adam Sandler, r.).

Bad in der Menge: Jay (George Clooney) mit PR-Managerin Liz (Laura Dern, l.) und Manager Ron (Adam Sandler, r.).

Netflix

Werbung

In seinem neuen Netflix-Film «Jay Kelly» spielt er einen der grössten Filmstars der Welt – eine vertraute Rolle für George Clooney. Doch das war nicht der Grund, weshalb der Star innerhalb von 24 Stunden für den Film zugesagt hatte, wie er mit seinem typisch spitzbübischen Grinsen enthüllt: «Ich wollte nicht riskieren, dass sie Brad (Pitt) dafür anfragen – das konnte ich auf keinen Fall zulassen!»

Die Tragikomödie ist eine offene Kritik am Starkult unserer Gesellschaft. Nach einer folgenschweren Begegnung mit einem alten Freund (Billy Crudup) realisiert Clooneys Figur Jay Kelly in Rückblenden, was ihn der berufliche Erfolg gekostet hat: seine Familie und echte Freunde. Zum Entsetzen seines leidgeprüften Managers Ron (Adam Sandler) beschliesst er spontan, zu einem Filmfestival nach Italien zu reisen. Vor Ort will er sein Verhältnis mit seinem Vater (Stacy Keach, der jede Szene an sich reisst) und seiner älteren Tochter Jessica (Riley Keough) kitten und unterwegs endlich Zeit mit seiner jüngeren Tochter verbringen.

Obwohl viel von George Clooney in seiner Filmfigur stecke, sieht der Oscargewinner «grundlegende Unterschiede» zwischen sich und Jay Kelly: «Ich habe grossartige Freunde, die ich nicht bezahlen muss, ein tolles Verhältnis mit meinem Vater und eine Familie, die mich zu mögen scheint.» Um dann mit Augenzwinkern «bisher zumindest» hinzuzufügen. Vor allem blickt der 64-Jährige nicht wie im Film mit Reue auf seine Vergangenheit zurück – im Gegenteil. Er sei mit sich und seinem Leben im Reinen, «wenn mich morgen ein Bus überfährt». Obwohl er in seinem bisherigen Leben «einige dumme Dinge verzapft habe», bescheinigt sich Clooney mit Stolz, ausgiebig gelebt und immer alles gegeben zu haben.

Während Jay Kelly den Starrummel um seine Person voll auskostet, hat Clooney mit dem Konzept Ruhm ein echtes Problem. Er fordere nie Extrawürste für sich ein, weil er sich selbst nie so wichtig nehme wie andere ihn. Diese Einstellung hat Clooney, der als Sohn eines Nachrichtensprechers und einer ehemaligen Schönheitskönigin in Kentucky aufwuchs, von seinen Eltern übernommen: «Ich wurde so erzogen, dass man nicht nur alle gleich behandelt, sondern auch selbst von allen gleich behandelt wird.»

Werbung

Im Film jettet Jay Kelly heimlich seiner Tochter Daisy (Grace Edwards) nach, die vor ihrem Studium eine Europatour macht. Als ihr Promi-Papa im Zug von Frankreich nach Italien plötzlich vor ihr steht, zeigt sie sich wenig begeistert. Apropos: Früher war Clooney öfter im Zug unterwegs. Seit er und Ehefrau Amal Eltern sind, ist das für ihn aber keine Option mehr: «Jeder hat heute ein Handy, und ich will nicht, dass irgendwer Fotos von den Gesichtern meiner Kinder schiesst.» Er und Amal versuchen, ihren Zwillingen Ella und Alexander (8) ein möglichst normales Leben zu bieten.

Clooney schwelgt nicht gerne in der Vergangenheit. Auf die Frage, wie oft er sich seine alten Filme anschaue, meint er sarkastisch: «Täglich. Im Moment schaue ich gerade einen auf meinem Handy und sterbe gleich in ‹Der perfekte Sturm›.» Dann aber gibt er doch noch einen echten Einblick in sein Seelenleben: «Manchmal stosse ich im Fernsehen auf einen meiner alten Filme, und ich finde es schwer, mir das anzuschauen. Weil ich dann denke: ‹Gott, wie jung ich mal war!›»

Werbung

Während dank Clooney graue Haare schon vor Jahrzehnten salonfähig und sexy wurden, kämpft Jay Kelly gegen das Älterwerden. Unter anderem, indem er sich die weissen Augenbrauen schwärzt. Eine solche Aktion käme Clooney nicht in den Sinn, zumindest nicht mehr. Das Aushängeschild des würdevollen Alterns besteht darauf, seine Eitelkeit vor einiger Zeit abgelegt zu haben: «Ich bin zu alt, um mich auch nur einen Dreck um Äusserlichkeiten zu scheren.» Als Beleg dafür zeigt er auf sein Haar, das eher schlohweiss denn graumeliert ist. Clooney: «Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder du wirst älter oder du stirbst.»

Jay Kelly

Netflix | Tragikomödie

Mit George Clooney, Adam Sandler, Laura Dern, Billy Crudup

USA 2025, ab 5. Dezember 2025

Werbung

Der Trailer (englisch)

Werbung