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Netflix-Gründer Reed Hastings: Nur die Besten dürfen bleiben

Reed Hastings, Gründer von Netflix, hält nicht viel von klassischen Hierarchien.

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Reed Hastings

Netflix-Gründer Reed Hastings.

Wolf Heider-Sawall/laif/Keystone

Mit fast 200 Millionen Abos kann sich Netflix als ersten globalen Fernsehsender bezeichnen. Dabei stand der heutige Streamingriese Anfang der 2000er-Jahre kurz vor dem Ruin: Reed Hastings (59) hatte das Unternehmen ursprünglich als Abo-Filmverleih gegründet. Und zwar aus einer Wut heraus, nachdem er in der Videothek 40 Dollar Busse für eine zu spät retournierte VHS-Kassette zahlen musste. 

Sein Konzept: Kunden bekamen für eine Monatsgebühr bis zu drei Wunschfilme auf DVD per Post nach Hause geschickt. Sobald man eine DVD zurückschickte, gab’s eine neue. 

«Seit ich mit 10 Dollar in der Tasche durch Afrika gereist bin, kann mich nichts mehr einschüchtern.»

Reed Hastings

Weil Netflix durchgehend rote Zahlen schrieb und kurz vor der Pleite stand, wagte Hastings einen radikalen Schnitt. Er kündigte einem Drittel seiner Angestellten und setzte sein revolutionäres neues Streaming-Geschäftsmodell durch – mit bahnbrechendem Erfolg.    

Der Aufstieg zum Milliardär und Branchen-Innovator hatte sich zu Beginn von Hastings Karriere nicht angedeutet. Nach dem College war der Mann aus Boston «aus Abenteuerlust und Pflichtbewusstsein» dem Friedenskorps beigetreten und hatte drei Jahre lang Kinder im südafrikanischen Swasiland in Mathematik unterrichtet. Doch diese Erfahrungen härteten ihn für seine späteren Aufgaben in der Businesswelt ab: «Seit ich mit 10 Dollar in der Tasche durch Afrika gereist bin, kann mich nichts mehr einschüchtern.»

Laut dem Titel seiner neuen Autobiographie ist Hastings ein Typ, der keine Regeln mag. Der zweifache Vater (er ist seit fast 30 Jahren mit Patricia Ann Quillin verheiratet) setzt auf Inspiration statt Überwachung und verlangt sogar von seinen Angestellten, dass sie die Regeln brechen. Fixe Urlaubsregelungen? Nichts da. Das soll jeder Mitarbeiter selber entscheiden («ich schreibe ihnen ja auch nicht vor, was sie morgens vor der Arbeit anziehen»). Seine Mitarbeiter führt er an der langen Leine – «solange sie keine Egoisten sind, sondern Teamplayer». 

Hierarchien werden gesprengt. Wenn sich Manager des mittleren Kaders bewährt haben, dürfen sie Millionenverträge für Eigenproduktionen abschliessen – ohne die Chefetage um Erlaubnis zu fragen.

Kehrseite der Medaille: Wer keine Quotenrenner liefert, wird ausgewechselt. Oder in den Worten des Unternehmens: «Eine Durchschnittsleistung bringt dir eine hoch dotierte Entlassungs-Abfindung.» 

Der Arbeitsmoral schadet das nicht. Hastings feiert sich selbst in der «Los Angeles Times»: «Wir landen bei Mitarbeiter-Umfragen stets in den Top 10 der beliebtesten Firmen der USA.» Obwohl die ständigen Leistungsbewertungen brutal sein können. «Deshalb werden unsere Leute immer besser. Das ist wie im Sport: Was dich nicht killt, macht dich hart!»

Netflix ist auf dem Streamingmarkt so etwas wie Paris Saint-Germain im Fussball: Es wirbt der Konkurrenz mit enormen Summen die talentiertesten Mitarbeiter ab – selbst wenn diese dort längerfristige Verträge haben. 

Disney und Fox wehrten sich dagegen und erwirkten gerichtliche Verfügungen, um die Abgänge zu verhindern. Hastings lässt das kalt. Er setze sich nur «für die Freiheit von Arbeitnehmern» ein.

«Wir pushen uns gegenseitig, um bessere Unterhaltung zu liefern.»

Reed Hastings

Dass sich die grossen Streaming-Rivalen wie Disney+ und HBO Max gegen ihn verbünden könnten, macht Hastings keine Angst, wie er der Showbusiness-Bibel «Variety» verriet. «Wir leben ja nicht im Kommunismus mit nur einem Staatssender. Wir pushen uns gegenseitig, um bessere Unterhaltung zu liefern. Das ist doch gut!»

Nur die Kritik, dass er die Filmindustrie zerstöre, geht dem sonst so coolen Hastings unter die Haut: «Wir haben Hollywood nicht umgebracht – nur aufgeweckt.» 

Von Christian Thiele am 23. Oktober 2020 - 17:25 Uhr