Kino – «Stiller»

Vexierspiele

«Stiller»: Der Zürcher Stefan Haupt hat den unverfilmbaren Roman von Max Frisch verfilmt.

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Whites Verteidiger (Kurt) möchte, dass Stillers Ex-Frau (Paula Beer) White besucht.

Whites Verteidiger (Stefan Kurt) möchte, dass Stillers Ex-Frau (Paula Beer) White besucht.

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Erste Sätze eines Romans können zu Monumenten werden. Das war bei Kafkas «Prozess» der Fall und bei Max Frischs «Stiller» (1954). «Ich bin nicht Stiller!» war aber mehr als nur ein guter Einstieg, es war Programm. Denn das Buch handelt von einem, der seine Identität in Frage stellt. Für Frisch, der «Stiller» auf einer USA-Reise schrieb, war es der Durchbruch. Er gab den Beruf als Architekt auf und wurde Schriftsteller. 

Bis anhin galt der Schweizer Klassiker als unverfilmbar, auch weil Frisch darin etliche abenteuerliche Abstecher hineinverwebt und in langen Sätzen über die Schwierigkeiten von Beziehungen und das Leben eines Künstlers reflektiert. Keine Angst vor «Stiller» hatte der Zürcher Stefan Haupt («Zwingli»). Sein Film bricht den komplexen Roman auf wesentliche Plotstränge herunter, was ihn zugänglicher macht, aber auch banalisiert. 

Bei der Einreise in die Schweiz wird der Amerikaner White (Albrecht Schuch) verhaftet. Die Polizei vermutet, dass es sich bei ihm um Stiller (Sven Schelker) handelt, einen Bildhauer, der seit Jahren verschollen ist und in eine Spionageaffäre verwickelt sein soll. Doch White bestreitet dies hartnäckig. Sein Pflichtverteidiger (Stefan Kurt) lässt daher Stillers Ex-Frau Julika (Paula Beer) in seine Zelle, und diese glaubt ihn zu erkennen. White wird verhört und erfährt so mehr über Stiller: Mit der zierlichen Balletttänzerin war der Bildhauer verheiratet, bis sie an Tuberkulose erkrankte. Als sie zur Kur in Davos weilte, gestand ihr Stiller eine Affäre mit Sibylle (Marie Leuenberger). Das ist ausgerechnet die Frau des Staatsanwalts, der White anklagt. Doch ist White wirklich Stiller?

Das Drama, produziert von C-Films («Platzspitzbaby»), hält sich weitgehend an die Buchvorlage, bis auf den letzten Teil. Stefan Haupt und sein Co-Autor Alex Buresch kreieren ein intensives Vexierspiel um Identität, wobei durch die zwei verschiedenen Schauspieler im Vergleich zum Roman eher Zweifel entstehen. Rückblenden sind in Schwarz-Weiss eingeschoben. Dabei wird Stiller als ein Mann gezeichnet, der sich vom sensiblen Künstler zum egoistischen Zweifler wandelt, während Julika eher passiv reagiert. 

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Zentrale Motive im Buch, wie die Frage nach der Selbstakzeptanz und ob man sich ändern könne, streift der Film nur kurz. Das gilt auch für die Fallstricke einer Beziehung und die Angst vor dem Versagen als Mann, die Frisch so quälend ehrlich und wortreich beschreibt. Gedanken sind natürlich schwer zu verfilmen, es fehlen aber die Zwischentöne: Kaum verlieben sich Stiller und Julika im Film, sind sie schon entfremdet. 

Am Ende transformiert Haupt das Scheitern in ein versöhnliches Happyend, was Frisch wohl kaum goutiert hätte. Dafür punktet «Stiller» mit atmosphärischen Bildern von Davos und Zürich. So ist der Film ein mutiger Versuch einer Adaption, der Roman bleibt aber in seiner Komplexität eine Knacknuss.

Stiller

Drama

Mit Albrecht Schuch, Paula Beer, Sven Schelker

CH 2025, ab 16. Oktober 2025 im Kino

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Der Trailer

Über die Autoren
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Antonio Gattoni

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