Hollywood brannte. Zumindest fast. Der legendäre Schriftzug oberhalb des Mulholland Drive blieb zwar von den Flammen verschont, doch den Universal Studios etwa kamen sie bedrohlich nahe. Eigentlich ist in L.A. nach dem Brand ganzer Quartiere die Stimmung auf dem Tiefpunkt, mehr bereit zum Aufräumen statt Abfeiern.
Die 97. Oscarverleihung, moderiert von Conan O’Brien, soll also sinnbildlich dafür stehen, dass aus der Asche etwas wachsen kann. Denn Hollywood hat gelernt, mit Krisen umzugehen – sei es das Aufkommen des Fernsehens in den 1950er-Jahren, später der Trend zum Streaming oder aktuell ein Präsident, der gegen die diversitätsorientierte Filmindustrie wettert.
Ein «Barbenheimer»-Rennen wie letztes Jahr mit den Publikumshits «Barbie» und «Oppenheimer» wird es 2025 aber nicht geben. Blockbuster sind ausser «Dune 2» und «Wicked» kaum vertreten. Das ist natürlich suboptimal für die ABC-Show, denn je populärer die nominierten Filme, desto höher die Einschaltquoten. Am höchsten waren sie 1998 (55,3 Mio. Zuschauer), als «Titanic» elf Oscars abräumte. 2024 waren immerhin wieder 19,5 Mio. live dabei – nach dem Absturz in den Corona-Jahren.
Statt Hitfilme sind Vielseitigkeit und Indiefilme angesagt. Die Spanne reicht vom Vatikanthriller «Conclave» über das Architekturepos «The Brutalist» bis zum schrägen Musical «Emilia Pérez». Letzteres war mit 13 Nominationen lange Favorit, bis alte Tweets von Hauptdarstellerin Karla Sofia Gascón auftauchten, in denen die Spanierin gegen den Islam austeilt. Dass ausgerechnet die erste oscarnominierte Transfrau durch Herabsetzen von Minderheiten unter Beschuss gerät und sich dadurch selbst disqualifiziert, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Gerade weil die Academy mit inzwischen 9900 Mitgliedern in den letzten Jahren stark auf Diversität setzte.
Solche Ausrutscher werden heute kaum mehr verziehen und gnadenlos bestraft. Das musste auch «Guardian»-Regisseur James Gunn erfahren, der wegen provokanter alter Tweets bei Disney in Ungnade fiel. Jahre später holte man ihn für «Guardians of the Galaxy 3» doch wieder zurück.
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Die Favoritenrolle hat diesmal «Anora» inne. Eine Art «Pretty Woman Reloaded» – ohne einen Gentleman wie Richard Gere, dafür mit einem verwöhnten russischen Oligarchensohn. Es ist ein Billigfilm mit nur 6 Millionen Budget. Regisseur Sean Baker (54) ist als Guerillafilmer mit sozialkritischem Flair bekannt, seinen ersten Film drehte er mit drei Smartphones. «Anora» hat bei der Regie- und Produzentengilde als bester Film gewonnen, was in den letzten 30 Jahren meist zu einem Oscar führte.
Härtester Konkurrent dürfte der Kritikerliebling «The Brutalist» werden: ein radikaler Mix aus Einwanderer-Epos und Architekten-Mäzen-Psychodrama, an dem Brady Dougan sieben Jahre arbeitete. Bei den Schauspielerinnen ist Demi Moore (62) in der Poleposition, gefolgt von Mikey Madison («Anora»). Moore war bisher noch nie nominiert und hat mit ihrer krassen Rolle als ausgemusterte Fitnessvortänzerin, die eine Verjüngungssubstanz schluckt, viel Mut bewiesen.
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Und: Hollywood liebt Comeback-Storys. Bei den Männern dürfte es zum Duell zwischen Adrien Brody («The Brutalist») und Timothée Chalamet kommen. Der New Yorker Brody (51), der bereits 2003, als damals jüngster Gewinner, den Oscar für «Der Pianist» gewann, ist Favorit. Fanliebling Chalamet wäre die glamourösere Wahl, war der erst 29-Jährige doch schon 2018 für «Call Me by Your Name» nominiert. Als junger Bob Dylan in «A Complete Unknown» (2024) wurde er selbst vom grummeligen Original gelobt. Chalamet sang auch die meisten Songs selbst, sogar live am Set, weil James Mangold («Walk the Line», 2005) die Atempausen echt wiedergeben wollte. Dylan ist eingeladen, dürfte aber kaum auftauchen: 2016 «verpasste» er schon seinen Literaturnobelpreis.
Wer wird nun am 2. März absahnen? Die Antwort, mein Freund, ist «Blowin’ in the Wind».
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G & G Spezial: Oscars 2025
SRF 2 | Preisverleihung
Live aus Los Angeles
Sonntag, 2. März 2025, ab 0:25 Uhr
Erstmals moderiert Late-Night-Host Conan O’Brien (61) die Show.keystone-sda.ch
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Antonio Gattoni ist Filmredaktor bei Tele und bereits seit 1993 im Journalismus tätig. Er schreibt mit Leidenschaft über alles, was mit Film zu tun hat, Kritiken, Porträts, Interviews, Hintergrundberichte etc. Zu seinen Abschlüssen zählt ein Studium in Psychologie an der Universität in Zürich mit einer Lizentiatsarbeit über Traum und Film und eine journalistische Weiterbildung an der Volkshochschule. Vor dem Tele war er bei der Filmzeitschrift Zoom und bei der NZZ als Filmkritiker tätig.