Die Gleichberechtigung von Mann und Frau liegt vielerorts noch in weiter Ferne. Eines der Länder, aus denen immer wieder erschreckende Schlagzeilen über Gewalt an Frauen kommen, ist Indien, der inzwischen bevölkerungsreichste Staat der Erde. Dies liegt nicht zuletzt am dort herrschenden Kastensystem, das Diskriminierung und Unterdrückung geradezu fördert. Am meisten leiden wie fast immer Frauen und Kinder darunter.
Die unter der Federführung der Westschweizer Akka Films («Nebensaison») entstandene internationale Koproduktion «The Shameless» widmet sich Frauenschicksalen in Indien. Diese sind zwar fiktiv, aber von wahren Geschichten inspiriert: Der bulgarische Regisseur Konstantin Bojanov wollte ursprünglich eine Dokumentation zum Thema drehen, herausgekommen ist stattdessen sein dritter Spielfilm.
Es beginnt alles damit, dass die Prostituierte Renuka (Anasuya Sengupta) in einem Bordell in Delhi ihren Freier erstochen hat: einen Polizisten. Sie flieht in die Kleinstadt Chatrapur, wo sie Unterschlupf in einer Sexworker-WG findet. Renuka lernt die halb so alte Hobby-Rapperin Devika (Omara Shetty) kennen, die von ihrer Mutter (Auroshikha Dey) bereits dazu verdammt ist, die Jungfräulichkeit an den Meistbietenden zu verlieren. Renuka und Devika kommen sich näher als erlaubt. Als der Lokalpolitiker Dinesh (Rohit Kokate), ein Kunde von Renuka, davon Wind bekommt, bahnt sich eine Tragödie an.
Auch wenn Bojanov viel in seinen Film packt, verliert er nie den Fokus auf die Hauptfiguren. Als Sympathieträgerin taugt höchstens Devika, ansonsten herrscht praktisch nur Trostlosigkeit. Diese wird vor allem von Renuka symbolisiert, mit der das Publikum zwar mitfiebert – doch das jahrelange Erleiden von Missbrauch und ihr Drogenkonsum haben sie zu sehr abgestumpft, um als Identifikationsfigur zu dienen. Dies gibt «The Shameless» zusätzlichen Punch: das Porträt einer desolaten Gesellschaft, aus der es kein Entrinnen gibt.
Dass Bojanov das Ganze ins Thrillergewand packt, verstärkt das Gefühl der Hoffnungslosigkeit noch. Zum Gelingen tragen letztlich auch die weitgehend unbekannten Gesichter bei. Anasuya Sengupta erhielt für ihre Darbietung in Cannes sogar die Auszeichnung als beste Darstellerin in der Kategorie «Un Certain Regard».
Thrillerdrama
Mit Anasuya Sengupta, Omara Shetty, Auroshikha Dey, Rohit Kokate, Mita Vashisht, Kiran Bhivagade
CH/BG/F/TWN/IND 2024, ab 10. April 2025 im Kino