Schlauhund Gromit wird überholt von einer Schnecke. Bisher waren die Animationsfilme des Studios Aardman aus Bristol die Vorzeigewerke für Stop-Motion mit Plastilin. Das Hund-und-Herr-Duo «Wallace & Gromit» von Nick Park oder auch «Shaun, das Schaf» sind bei Jung und Alt beliebt für ihren trockenen britischen Humor und die subtilen Details. Dahinter steckt aufwendige Handarbeit, bei der die Knetfiguren in Modellsets minim bewegt werden, was dann in Stop-Motion zusammengefügt wird. Ein Prozess, der oft Jahre in Anspruch nimmt.
Nun erhalten die Bristoler Tonkönige Konkurrenz – und zwar aus Australien. Adam Elliot (52) kreierte mit «Memoir of a Snail» ein Werk, das in seiner Schrägheit und Menschlichkeit durchaus mit den Aardman-Filmen mithalten kann.
Hauptfigur ist die Aussenseiterin Grace Pudel, die ein kurioses Hobby pflegt: Sie sammelt Schnecken. Als ihre beste Freundin stirbt, die Seniorin Pinky, erzählt Grace ihrer Lieblingsschnecke von ihrem Leben, das geprägt ist von viel Pech und Schicksalsschlägen. Von Kind auf ist sie untrennbar mit ihrem Zwillingsbruder Gilbert verbunden, der sie beschützt und eine besondere Faszination für Feuer hat.
Als zuerst ihre Mutter und später auch noch ihr querschnittgelähmter Vater stirbt, ein ehemaliger Strassenkünstler, werden die beiden Waisen getrennt. Während ihr Bruder in Perth bei einer streng religiösen Sektenfamilie landet, die einen Baby-Jesus verehrt, kommt sie weit weg in Canberra zu einem frivolen Partypaar. Die zwei wollen die melancholische Grace aufheitern, doch sie liest lieber Bücher und bleibt zu Hause. Ihre einzige Freundin ist Pinky, eine alte Frau, die exzentrische Dinge tut wie mit Schneeaffen baden oder mit Fidel Castro Pingpong spielen. Pinky macht der unglücklichen Grace immer wieder Mut – doch die will unbedingt ihren Bruder wiedersehen.
«Memoir of a Snail» ist ein Film, der nur so sprudelt vor skurrilen Ideen, fast ein wenig wie «Die fabelhafte Amélie Poulain» mit einer ähnlich schrulligen Heldin. Es ist Adam Elliots zweiter animierter Spielfilm nach «Mary und Max» (2009) über zwei kuriose Brieffreunde.
Ein Geheimtipp ist er allerdings nicht mehr, so hat Elliot für den Kurzfilm «Harvie Krumpet» bereits 2004 den Kurzfilm-Oscar erhalten. Acht (!) Jahre hat er an «Memoir of a Snail» geknetet, das Resultat ist eine Tragikomödie mit Herz. Ohne Scheu mixt der Australier tieftraurige Szenen mit solchen voller Mitmenschlichkeit – etwa wenn Pinky einsame Senioren besucht und ihnen wortlos die Hand hält. Die Tonfiguren haben eine kauzige Eigenart, die sie zugänglicher macht als Computerwesen.
Daraus ist ein charmantes Filmjuwel geworden, in dem die Figuren oft nahe am Abgrund stehen, sich aber immer wieder aufrappeln. Etwas fürs Gemüt – das passt doch wunderbar zu Weihnachten.
Animation
Englische Stimmen: Sarah Snook, Jacki Weaver, Eric Bana, Nick Cave
AUS 2024, ab 26. Dezember 2024 im Kino