Kino – «Plan 75»

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Was tun, wenn es zu viele alte Menschen gibt? In «Plan 75» will Japan die Senioren loswerden.

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«Plan 75»
Michi (l.) freundet sich mit der «Plan 75»-Telefonistin Yôko (Yûmi Kawai) an. First Hand Films

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Überalterung ist in allen postindustriellen Staaten ein Problem, aber nirgends so wie in Japan. Heute leben dort deutlich mehr als doppelt so viele über 64-Jährige wie unter 15-Jährige.
Filmemacherin Chie Hayakawa widmete sich schon in ihrem Beitrag zum Episodenfilm «Ten Years Japan» (2018) dem Thema. Nun baute sie die Story für ihren ersten Langfilm aus. «Plan 75» feierte in Cannes Premiere und wurde am Fribourg International Film Festival dreifach prämiert, auch mit dem Hauptpreis.
In naher Zukunft setzt die japanische Regierung «Plan 75» in Kraft: Menschen ab 75 Jahren, die freiwillig von Sterbehilfe Gebrauch machen, erhalten eine stattliche Summe, die sie verprassen oder vererben dürfen. Im Mittelpunkt des Films stehen: die 78-jährige Michi (Chieko Baishô), die «Plan 75» in Anspruch nehmen will; der junge Hiromu (Hayato Isomura), der «Plan 75»-Verträge verkauft; die Filipina Maria (Stefanie Arianne), die aus Finanznot Sterbebegleiterin für «Plan 75» wird.
Hayakawa schuf ein eindrückliches Drama, das die Problematik der Überalterung so melancholisch wie zeitgemäss aufarbeitet. Doch «Plan 75» funktioniert auch als Porträt der Vereinsamung in der japanischen Gesellschaft, die schon länger Tatsache ist und alle Altersgruppen betrifft – gerade auch junge Erwachsene.
Abgerundet wird das Ganze durch angenehm unaufgeregte schauspielerische Leistungen, allen voran von der 81-jährigen Chieko Baishô, die seit 1961 in über 150 Filmen mitgewirkt hat.

Plan 75

Drama
Mit Chieko Baishô, Hayato Isomura, Stefanie Arianne
J/F/RP/QAT 2022, ab 4. Mai 2023 im Kino

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Der Trailer

Über die Autoren
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Patrick Schneller
Patrick Schneller, Filmredaktor bei TELE, hat sich seit seinem Einstieg in den Journalismus im Jahr 1992 einen Namen im Bereich der Spielfilmkritik gemacht. Seine Expertise erstreckt sich über das gesamte Spektrum der Filmindustrie, von obskuren Filmen aus vergangenen Zeiten über TV-Produktionen bis hin zu großen Kinoveröffentlichungen von heute. Unter seinen jüngsten Arbeiten ragen Artikel wie 'Halloween – Die Nacht der vielen Schrecken', 'Ich weiß, was du letztes Halloween getan hast' und 'Blutiges Erntedankfest' hervor. Seine retrospektive Betrachtung von Monty Python in 'Monty Python – und nun zu etwas völlig anderem' zeugt von seiner tiefen Verwurzelung in der Filmgeschichte. Bevor Patrick Schneller zu TELE kam, war er für die 'Solothurner AZ', 'Music Scene' und 'Toaster' tätig. Er gehört der Autorenvereinigung Pro Litteris an.

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