Seit über 100 Jahren schlafen sie in Särgen, beissen wollüstig in Hälse und hassen Sonnenlicht so sehr wie Knoblauch. Vampire sind so etwas wie die abgelutschtesten Dauerbrenner im Horrorgenre und entsprechend kaum totzukriegen. Als Vorlage dient meist Bram Stokers «Dracula» (1897), die bekannteste Vampirgeschichte. Die Adaptionen reichen von Bela Lugosi als Dracula (1931) über die bunten 50er-Hammer-Filme mit Christopher Lee und Parodien wie Polanskis «Tanz der Vampire» bis zur epischen Netflixserie (2020).
Einer der legendärsten Vampirfilme durfte allerdings den Namen Dracula gar nicht verwenden, weil es keine offizielle Adaption war. F.W. Murnaus expressionistischer Stummfilm «Nosferatu» (1922) zeichnete den Grafen als Schattengestalt mit dürren Fingern, Fledermausohren und einem bleichen Totenkopfgesicht. Es war dieses atmosphärische Grauen, dieses Schemenhafte in Nebel und Nacht, das den Gothic-Horror mitbegründete. Nun erweist Robert Eggers (41) dem Klassiker Reverenz, mit einer vorlagengetreuen Neuverfilmung, der zweiten nach Werner Herzogs «Nosferatu – Phantom der Nacht» (1979) mit Klaus Kinski.
Es geht die Mär von Thomas Hutter (Nicholas Hoult) aus dem deutschen Wisborg, der auf Geheiss seines Chefs nach Transsylvanien in ein abgelegenes Schloss reist, um dem Grafen Orlok (Bill Skarsgård; «It») ein Haus zu verkaufen. Der Graf indes ist ein Untoter, ein Vampir, der tags im Sarg schläft und nachts sein Unwesen treibt. Bald entdeckt Hutter Bissmale am Hals. Und Orlok, der reist mit Sarg und Ratten im Gepäck per Schiff nach Deutschland. Angelockt hat ihn ein Bild von Hutters Frau Ellen (Lily-Rose Depp), mit der er vorher telepathisch in Kontakt getreten ist.
Eggers Film ist akribisch traditionsbewusst. Der New Yorker hat seit je ein Flair für das Mystische, die Kraft von Sagen und Legenden, so etwa im Wikinger-Rachethriller «The Northman» oder im düsteren Zweipersonenstück «Lighthouse». Auch in «Nosferatu» baut er mit visueller Wucht eine unheimliche Stimmung auf, etwa wenn Thomas im finsteren, verschneiten Karpatenwald von einer schwarzen Kutsche abgeholt wird. Viele Szenen sind dem Original nachempfunden, allerdings kippt die Darstellung manchmal ins Groteske.
So wirkt Nosferatu mit seiner röhrend tiefen Stimme überzeichnet und sein verwesender Körper abstossend, es fehlt ihm die Eleganz von Max Schrecks (sic!) Schattengestalt des 1922er-Originals. Eggers fügt sogar noch eine Prise «The Exorcist» hinzu, lässt Ellen ständig zucken und züngeln, vom Bösen besessen. So ist «Nosferatu» eine visuell betörende Hommage, die in ihrer forcierten Beflissenheit aber ein Bisschen zu blutlos bleibt.
Horrorfilm
D: Bill Skarsgård, Lily-Rose Depp, Nicholas Hoult, Willem Dafoe
USA 2024, ab 2. Januar 2025 im Kino