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Interview mit Bastian Schweinsteiger

«Die Leistungsdichte aus einem so kleinen Land ist erstaunlich»

Bastian Schwein­steiger über die Schweizer Nati, Yann Sommer und die deutsche Elf.

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Bastian Schwein­steiger über die Schweizer Nati, Yann Sommer und die deutsche Elf.

TV-Experte beim WM-Spiel Costa Rica – BRD in Katar: Bastian Schweinsteiger.

IMAGO/Moritz Müller
Marcel Wyss
Marcel Wyss

Bastian Schweinsteiger (38) spielte von 2002 bis 2015 beim FC Bayern München, wurde in dieser Zeit achtmal deutscher Meister, siebenmal Pokalsieger und gewann 2013 die Champions League. Zudem holte er mit Deutschland 2014 in Brasilien den Weltmeister-Titel. 2016 heiratete er die frühere serbische Spitzentennisspielerin Ana Ivanovic. Gemeinsam haben sie zwei Söhne, ein drittes Kind ist unterwegs. Seit 2020 und bis sicher zur EM 2024 ist Schweinsteiger TV-Experte bei der ARD.

Tele.ch: Herr Schweinsteiger, wie fühlt sich das Leben als Fussballrentner an? Vermissen Sie den Kampf auf dem Platz?

Bastian Schweinsteiger: Klar, mit Mitspielern etwas zu schaffen, das war schon toll und verbindet einen fürs ganze Leben. Vor allem, wenn man gemeinsam Erfolge feiern konnte. Aber der Kampf auf dem Platz fehlt mir gar nicht. Jetzt kämpfe ich eher auf dem Golf- oder auf dem Tennisplatz – leider noch nicht mit den gewünschten Ergebnissen.

Auf dem Tennisplatz liegt das wohl an Ihrer Frau Ana Ivanovic, die die Nummer 1 der Welt war …

Momentan steht Ana ja nicht mit mir auf dem Tennisplatz, da sie schwanger ist. Wobei: Aus ergebnistechnischen Gründen sollte ich es vielleicht gerade jetzt gegen sie versuchen (lacht).

Als Fussball-Experte sind Sie aber noch regelmässig im Stadion.

Das ist richtig, mir macht die Arbeit bei der ARD sehr viel Spass, so bin ich immer noch nahe dran. Der Fussball entwickelt sich ja ständig weiter. Von daher ist das natürlich schon toll, die Möglichkeit zu haben, weiterhin Spiele live im Stadion mitzuverfolgen. Während der Fussball-WM in Katar habe ich auch dreimal die Schweiz spielen sehen, zweimal beruflich, gegen Brasilien und Portugal.

Und das dritte Spiel?

Da war ich privat im Stadion, beim letzten Gruppenspiel gegen Serbien, meine Frau kommt ja aus diesem Land. Ich bin aber nicht jedes Wochenende am Spielfeldrand, sondern verfolge den Fussball aus einer gesunden Entfernung.

Welchen Eindruck haben Sie denn vom Schweizer Nationalteam?

Ich habe ja eben dieses 1:6 im Achtelfinal gegen Portugal gesehen (verzieht das Gesicht). Na ja, da passte nicht viel zusammen. Aber gegen Brasilien zeigte die Schweiz eine reife Leistung – gegen einen meiner Topfavoriten. Da spielten sie sehr gut gegen den Ball und suchten immer wieder die Umschaltmöglichkeiten. Die Schweiz hat sehr interessante Spieler, und ihr 5-3-2-System beherrschen sie ausgezeichnet. Es ist eine der Mannschaften, denen ich immer gerne zuschaue.

Ein Schlüsselspieler ist Yann Sommer. Als Bayern wegen Manuel Neuers Verletzung kurzfristig einen neuen Goalie brauchte, wurde er nach München geholt. War das eine gute Wahl?

Seine Leistungen haben mich seit je beeindruckt. Sommer ist nicht nur ein guter Torhüter, er verfügt auch über überragende technische Fähigkeiten und ist gedanklich sehr schnell. Die Spielauslösung als Torwart ist heute ja besonders gefragt. Bisher macht Sommer seine Sache sehr gut bei Bayern. Ich höre nur Positives.

Mit Bayern haben Sie ja noch gegen ihn bzw. Gladbach gespielt.

Ja, auf dem Platz waren wir Gegner, aber ich habe ihn stets als fairen Arbeitskollegen wahrgenommen.

Bekommt Neuer nach seiner Verletzung noch eine Chance, Sommer die Nummer 1 streitig zu machen?

Mit Sicherheit! Ich bin überzeugt, dass er wieder die Nummer 1 werden kann, bei Bayern und in der Nationalmannschaft. Man darf nicht vergessen, dass Manu als Torhüter den deutschen Fussball revolutioniert hat. Er war der Erste, der angefangen hat, von hinten herauszuspielen und auch mal etwas Risiko einzugehen. Das ist seine grosse Qualität …

… und wird nun von vielen kopiert.

Ja, nur wird es ihnen immer mal wieder zum Verhängnis, weil sie nicht so ballsicher sind. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn Manu wieder vollständig gesund wird, kommt er stark zurück.

Zurzeit zeigen einige Schweizer gute Leistungen in der Bundesliga, auch im Tor: Gregor Kobel etwa spielt bei Tabellenführer Dortmund, und Jonas Omlin hat Sommer bei Borussia Mönchengladbach ersetzt.

Die Schweiz hat nicht nur auf der Torwartposition sehr gute Spieler. Diese Leistungsdichte aus einem so kleinen Land ist bemerkenswert. Das erinnert mich an die Situation in der deutschen Nationalelf. Für den Trainer nicht immer ganz einfach, aber lieber ein gesunder Konkurrenzkampf auf allen Positionen – das steigert die Qualität des ganzen Teams.

Wen sähen Sie denn als die Schweizer Nummer 1 im Tor?

Zum Glück bin ich nicht Nationalcoach und muss das entscheiden (grinst). Aber zwischen Sommer und Kobel besteht von der Qualität her kein so grosser Unterschied mehr. Kobel hat sich wahnsinnig gut entwickelt – auch spielerisch. Das ist schon fast wie bei den Schweizer Skifahrern: der Zenhäusern, der Yule und der Marco Odermatt sowieso (lacht).

Sie sind ja auch ein guter Skifahrer. Fahren Sie noch oft?

Sooft es geht. Ich schaue mir auch die Rennen an, vor allem wenn Felix Neureuther kommentiert, mit dem ich seit langem befreundet bin. Wie Odermatt beim Weltcupfinale den zweiten Lauf im Riesenslalom runtergefahren ist, unglaublich!

Zurück zum Fussball: Mit Urs Fischer hat bei Union Berlin ein Schweizer Trainer seit fünf Jahren einen unglaubliche Lauf.

Da muss man echt den Hut ziehen. Urs Fischer hat das mit einer Mannschaft geschafft, die sich über die Jahre ständig verändert hat. Viele Spieler sind zu grösseren und vermeintlich stärkeren Vereinen gewechselt, und er musste dann wieder neue finden, die ins System passen.

Kein einfacher Spagat, oder?

Fischer hat das unfassbar gut geschafft. Er ist sehr bodenständig und sympathisch. Und ich mag die Art und Weise, wie er Union Berlin Fussball spielen lässt. Ich bewundere das, wenn ein Trainer es schafft, einen Fussball zu zeigen, der genau der DNA des Vereins entspricht, und erst noch erfolgreich damit ist.

Aber was ist denn eigentlich mit der deutschen Nationalmannschaft los – das frühere Selbstverständnis scheint verflogen?

(Lacht.) Bezüglich der Resultate auf jeden Fall. Die Frage ist nun, ob sich die deutsche Nationalmannschaft wieder auf ihre Grundwerte besinnt. Das ist jetzt erst mal das Wichtigste – auf und neben dem Platz. Darum wurde sie ja von den meisten anderen Nationen immer beneidet. Das hat nun auch für Rudi Völler Priorität, der als neuer Direktor zur Mannschaft kam.

Wie optimistisch sind Sie im Hinblick auf die Heim-EM 2024?

Man muss es schaffen, nicht erst eine Woche vor dem Turnier ein Team zusammenzubringen, das eingespielt ist, sondern Monate vorher. Das zeigte ja auch Weltmeister Argentinien und zuvor Italien bei der EM 2021. Auch wenn Deutschland bei den letzten drei Turnieren nicht sehr weit gekommen ist, muss man nächstes Jahr mit einem gesunden Selbstvertrauen antreten. Denn was gibt es für einen Fussballer Grösseres, als ein Turnier im eigenen Land zu spielen? Ich habe das Gott sei Dank 2006 mit der WM auf dem Platz miterlebt. Dieses Turnier würde ich gerne nochmals spielen können.

Seit Januar bei Bayern München zwischen den Pfosten: Yann Sommer.

Seit Januar bei Bayern München zwischen den Pfosten: Yann Sommer.

DeFodi Images via Getty Images
Deutscher Pokal

In allen drei übertragenen Viertelfinals spielen Schweizer mit: Sow, Sommer und Kobel.

Frankfurt – Union Berlin
Di., 4. April, 17.40 Uhr, ZDF

FC Bayern – SC Freiburg
Di., 4. April, 20.15 Uhr, ARD

RB Leipzig – Dortmund
Mi., 5. April, 20.15 Uhr, ZDF

Von Marcel Wyss am 29. März 2023 - 12:43 Uhr